Vor 31 Jahren saß ich mit einer Clique in der Frankfurt-Höchster Jahrhunderhalle, damals die modernste Konzerthalle Frankfurts, ganz vorne in dem zur Hälfte ausverkauften Saal und lauschte total verliebt einem jungen Iren mit Namen Chris de Burgh. Nicht im Traum hätte ich mir vorgestellt, mich mit 60 Jahren, immer noch heftig und neu verliebt, schon wieder in der diesmal restlos ausverkauften Jahrhunderthalle von dem selben Schmusebarden verzaubern zu lassen. Schon lang wollte ich ihn wiederhören, aber nie hatte es geklappt mit guten Karten. Und die Liebste war genauso scharf drauf. Jetzt hatte es geklappt und wir hatten Spitzenplätze, dritte Reihe Mitte. Das Publikum war erstaunlich gemischt. Von der ganz alten Oma (die damals unsre Mutter hätte sein können), über die gesetzten 68er und die aktuelle Juppi-Generation bis hin zu den Enkeln, die mit Opa da waren. Selten, dass ein Musiker so ein großes Publikum faszinieren kann.
Am Anfang ärgere ich mich, da der Warming Act, der Leadgitarrist von CdB, Neil Taylor, schon spielt. Schade, da wir wegen der Platzkarten erst in den letzten Minuten ankamen. Von dem hätte ich gerne mehr gehört. Die Bühne ist ganz reduziert gestyled. An Klippen erinnernde Paneele schirmen die Percussion und das Keyboard ab. Im Hintergrund eine Wand aus Multimedia-Streifen. Mehr nicht. Und das ist gut so. Und die Lichtdesigner können daraus trotzdem eine mitreißende Show zaubern (HR1 präsentiert den Auftritt und berichtet hier).
Chris de Burgh ist einer der Bühnentiere, denen die Musik und der Kontakt zum Publikum ganz wichtig sind. Und so arbeiten sie sich redlich ab, ohne dass es nach Arbeit aussieht. Immerhin ist er auch schon weit über Sechzig. Aber da hüpft ein junger Sänger und Gitarrist auf der Bühne rum und weiß, wie man die Leute von den Stühlen reißt. Und je mehr die abgehen, deste mehr blüht er auf. Und mutig ist er: geht von der Bühne und schlüpft zwischen seine Fans, umringt von (tränen)feuchten Damen und (angst)schweißgetränkten Bodyguards. Läuft durch das ganze Parkett, besingt seine Lady in Red und knutsch jede rotgekleidete Lady im Publikum ab. Wenn ich das gewusst hätte, wär‘ ich auch im kleinen Roten erschienen. Irgendwann fliegen ein paar Slips auf die Bühne. Von dem Fanclub in der ersten Reihen links können sie aber nicht stammen, die hätten nicht gepasst 😉
Aber Chris ist nicht nur ein Schmuser. Rockige Klänge liegen ihm genauso, aber immer harmonisch mit eingängigen Melodien, fetzige Ohrwürmer mit Tiefgang. Denn immer hat er auch was zu sagen mit seinen Liedern. Dann kommt ein Medley mit Songs anderer Komponisten wie den Beatles. Spätestens jetzt hält es keinen mehr auf den Sitzen. Jetzt wird die dritte Reihe zum schlechten Platz, wenn man nicht auch aufsteht. Wie sollte man aber auch im Sitzen mit abrocken. Die Liebste ist seelig und tanzt begeistert. 2,5 Stunden gibt Chris und seine spielfreudige Band alles. Die Leute spüren, dass er richtig gut abgeliefert hat und akzeptieren, dass über die geplanten Zugaben nichts mehr geht. Ein Fan reicht ihm ein hübsch verpackte Flasche Feierabend-Stout. Prost, Chris, hast es dir reichlich verdient. Könnt ich jetzt auch gebrauchen. Aber es wird nur noch zu einem kurzen Zwischenstopp bei McD reichen.
Es ist schön, in einem Haufen glücklich schwatzender Menschen aus dem Saal zu gehen und in die strahlenden Augen seiner Liebsten zu sehen. Sehen wir uns in weiteren 30 Jahren wieder, Chris? Mindestens zwei Verliebte warten darauf …