60 tut gar nicht weh!

Also sechzig bin ich ja schon länger. Genauer im sechzigsten Lebensjahr. Und das war auszuhalten. Mit Höhen und Tiefen, wie jedes Jahr. Warum also hab ich mir im Angesicht des sechzigsten Geburtstags so in die Hose gemacht?! Vielleicht ist Männern das so angeboren. Sie neigen ja eh dazu, alles etwas zu dramatisieren. Was solls: es hat gar nicht weh getan und war doch sehr schön.

Wenn alle Kinder (und Ahmad) da sind ist es immer schön. Schön kuschelig in der Dreizimmerwohnung. Da gibt es kaum Fluchtraum und trotzdem geht man sich nicht auf den Senkel. Es begann schon am Donnerstag in der Nacht, da die Liebste nicht an sich halten konnte und mir zu Mitternacht ihr Geschenk präsentierte. Schon länger von geträumt und als ferner Luxus verworfen: Handgemachte Schuhe! Wow! Jetzt heißt es Abschied nehmen von meinen geliebten LandsEnd Tretern, zumindest zu den festlichen Anlässen. Vorher gilt es allerdings, ein paar Vorbereitungen zu treffen. Mit einer Art Gips-Socke werden die Füße abgeformt und dem Schuster zugeschickt. Das hörte sich kompliziert an und die Liebste hoffte auf Hilfe durch meine Kids.

Aber erst mal sollte ich der Welt schönste Geburtstagstorte bekommen. Ich war schnell mit dem Hund Gassi und Brötchen holen, als die Liebste mich telefonisch bat, mich zu melden, wenn ich auf den Parkplatz fuhr. Das tat ich dann auch wie geheißen. Worauf die Liebste hektisch wurde und mich bat, noch 5 Minuten zu warten. Also legte ich mich im Auto zurück, hörte ein bisschen Hörbuch, bis das Telefon klingelte: „Ja, du stehst ja gar nicht vor der Tür! Komm sofort hoch und spute dich!“. Ich also meine sechziger Knochen in den zweiten Stock gewuchtet, wo mich die Liebste völlig verzweifelt und hektisch erwartete. Aus dem abgedunkelten Wohnzimmer drangen malerische Rauchwölkchen und es roch verkokelt. Auf dem Geburtstags-Frühstückstisch stand ein Pflaumenkuchen in hellen Flammen! Sechzig Kerzen waren größtenteils schon bis auf die Streusel runter- und in den Kuchen eingebrannt. Erstaunlich, wie gut Pflaumenkuchen brennen kann. Ich hab dann souverän Luft geholt und alle Flammen mit einem Mal ausgeblasen. Merke: Wer 60 Kerzen anzünden will. sollte die Brenndauer beachten. Spätestens nachdem die 20. Kerze endlich rennt, sind dieversten schon wieder runtergebrannt. Also Finger weg von solch kindischen Geburtstagsspäßchen bei älteren Menschen! Anschließend hatte ich dann viel Spaß beim Sezieren des Kuchens. 60 Wachsklumpen wollten aus dem Teig gepult werden. Letztendlich klappte die OP und wir konnten den unvergleichlichen Pflaumengeschmack genießen, mit einem Hauch Parafin. Nicht schlecht.

 Meine Kids kamen dann am Freitag Nachmittag und präsentierten erstmal mit großen Bohei ihr Geschenk. Das Zimmer wurde verdunkelt und auf allen Vieren schoben sie mit viel Gebrumm etwas Beleuchtetes in den Raum. Als das Licht wieder an ging, präsentierte sich mir ein dreieckiges, dreirädriges Gestell aus japanischen Essstäbchen mit riesigem Scheinwerfer vorne, einer Batterie hinten und einem Foto von mir in Rocker-Montur. Wie immer bei meinen Kids ein geniales Symbol für ein Geschenk. Mir schwante gleich etwas! Schon immer wollte ich mal ein Trike fahren. Und da ich für mein Leben gerne Sushi esse, haben die Beiden mich (und die Liebste) zu einer Trike-Rundfahrt durch den Vogelsberg eingeladen, mit anschließendem Sushiessen in Gießens bester Sushi-Bar. Das wird ein Spaß! Ich kann es kaum erwarten. Passt auch gut zur Midlifecrises eines Sechzigjährigen. Jetzt muss ich die Liebste nur noch dazu kriegen im knappen Ledercorselette hinter mir Platz zu nehmen. Und dann rocken wir den Vogelsberg!

Amira war noch unterwegs und so beschlossen wir, ohne sie in ein Lokal zu fahren und uns dort mit ihr zu treffen. Eigentlich wollte ich zu einem Mongolen. Aber die Liebste hatte so lange insistiert, bis ich uns bei einem hessischen Lokal angemeldet hatte, dem Kaufmanns in Gelnhausen-Meerholz. Mir war nach was Exotischem, nicht nach biederer hessischer Küche, aber es klang nicht so schlecht. Und mit sechzig kann man ja mal was wagen. Und die Wahl war erstklassig. Die Stimmung war ausgelassen, dem Anlass mehr als angemessen und hoch zufrieden machten wir uns auf den Heimweg, um dort noch gebührend weiter zu feiern. Denn da gab es ja noch Amiras und Thomas Geschenk: Ein wunderschönes Schlabberlätzchen für kleckernde Hessen, samt ein paar Fläschchen Rabenwein. Da kann jetzt ruhig ein leichter Alterstremor zuschlagen: Ich kleckere nicht mehr – ich dekoriere!

Samstag hat Masja mir dann meine Füße abgeformt. Selten haben wir so gelacht. Ich habe das gefilmt und ich denke, das muss auf Youtube! Zum Abschluss des Geburtstagsfestes wollte ich noch ein kleines Highlight draufsetzen. In den Achziger Jahren hatte ein Film Furore gemacht, den ich so gerne mochte und schon etliche Male gesehen hatte. La cage aux folles – ein Käfig voller Narren gibt es nun auch im Frankfurter Volkstheater in hessischer Mundart. Diese turbulente, quietschbunte, verrückte Komödie um eine schwules Pärchen aus einem Kabarettbesitzer und dessen geliebtem Showstar, deren Sohn eine Tochter aus erzkonservativer Familie heiraten will, wäre bestimmt ein Knaller. Und so war es dann auch. Anfangs waren wir alle ein bisschen verstört. Ich, weil es auf der Bühne doch etwas steifer rüberkommt als im Film, die Kids weil sie das erste Mal in einem solchen Theaterstück waren. Dann aber erlagen wir dem Charme des Hauptdarstellers Thomas Bäppler-Wolf, der die Tunte Albert hinreißend komisch und anrührend spielt, und seiner spielfreudigen Truppe. Irgendwie passte auch das angeranzte Ambiente des Theaters dazu, das leider in diesem Jahr schließen muss.

Ein gelungener Abend fand einen traditionellen Abschluss bei McDonalds. Schließlich sind wir schon immer mit den Kids nach einem Kinobesuch dort noch eingekehrt. Ein paar Mal im Jahr muss das einfach sein. Kontrastprogramm zu Kaufmanns. Damit wir nicht verlernen, was richtig gut ist. Nach langer Nacht haben sich alle dann am Sonntag Morgen tatsächlich reichlich früh aus dem Bett geschält, um auf dem Flohmarkt noch das eine oder andere Schnäppchen zu machen. Anschließend eine zünftige Weißwurschtbrotzeit (wenn auch erst um 13 Uhr). Ein rundum schönes Geburtstagswochenende! Jetzt will ich doch 70 werden. Und mit euch allen eine Steigerung zum 60. erfahren. Ganz schön unverschämt, gell. Ja, so bin ich. Kriege nie genug. Von euch sowieso nicht. Danke, Ihr Lieben!!!

Restaurant Kaufmann’s in Gelnhausen

Escht hessisch‘ Sternekisch – un wenn’s nach mir ging: 10 Sternscher!

Wir waren aufgrund der Berichte in qype hier und können alles nur bestätigen. Die Webseite kann leider so gar nicht rüberbringen, was dieses Gasthaus wirklich bietet. Und das ist es im wahrsten Sinne des Wortes: ein gastfreundliches Haus.

Das geht schon beim Betreten der urigen Gaststube los, denn man wird herzlich mit Handschlag begrüßt, als wäre man ein lange vermisster Stammgast. Und dann das Ambiente – die Gudd Stubb, wie der Hesse sagt. Da hängt Warhols Marylin Monroe (jaaa, gut, nicht echt!) neben einem Rehbockgeweih, eine mit qietschbuntem Kunstleder bezogene Polsterbank wie aus einer 50er Jahre Eisdiele neben einer stilgerecht passenden Stehlampe. In der Ecke eine uralte Pfaff-Nähmaschine, alte Urkunden, mit Zeugs vollgestopfte Regale, bequeme Stühle, rustikale Tische, witzige, stimmige Beleuchtung – kurzum, der Gast wird auch optisch nicht gelangweilt.

Wir waren Freitag abends da, mit Reservierung gerade noch 6 Plätze erhascht. Trotz Fullhouse eine angenehme Atmosphäre. Die Leute sind fröhlich ohne zu lärmen, einfach entspannt. Ein gut Teil dazu trägt die Service Mann- und Frauschaft bei. Alle supernett und zuvorkommend (und, nebenbei, auch optisch eine Freude, das Auge isst ja mit). Wieder bestätigt sich das Gefühl, mehr als willkommen zu sein. Auf dem Tisch ein handbemalter Teller mit unserem Namen und einem Willkommensgruß. Ruckzuck wird die Getränkebestellung aufgenommen und im Nu kommen perfekt gezapfte Biere wie durch ein Wunder.

Die übersichtliche Karte zeugt davon, nur das anbieten zu wollen, was richtig gut ist. Alles ist mit hessischen Zutaten gekocht und entsprechend hessisch wird es auch beschrieben. Ich mag es sehr, wenn man als unerfahrener Gast die Gelegenheit bekommt, sich mit gemischten Platten einen Überblick über die Künste des Koches zu verschaffen. Also nahmen wir „Von allem ein Bisschen“ als Vorspeise. Für je zwei Leute eine riesige Platte mit Carpaccio vom Presskopf mit Apfelwein-Vinaigrette, Handkäse mit Musik, Wurstsalat und gemischter Salat, dazu frisches Brot (damit es nicht so schnell kalt wird in Butterbrottüten, die man auch herrlich knallen lassen kann. In diesen Zeiten ein nicht immer fröhlich aufgenommener Scherz, ich weiß. Aber ich war an diesem Tag sechzig geworden, fühle mich aber noch wie sechs. Und ich entschuldige mich auch dafür).

VonallemDas Konzept der Platte war stimmig und die Zutaten lecker, trotzdem hatte ich etwas zu bemängeln: Im Gegensatz zu Rindercarpaccio sollte man die Presskopfscheiben dicker aufschneiden, damit sie besser mit der Apfelweinvinaigrette harmonieren. Mir kam der Presskopfgeschmack etwas zu kurz, was schade war, denn die Wurst war sehr gut. Das winzige Stückchen perfekt gereifter Handkäse war für zwei Leute ein bisschen mickrig, der Wurstsalat dagegen ziemlich reichlich.

IMG_2487Dann gab es den Hessenteller. Und das war der Knaller: Ein würziges Vogelsberger Kartoffelwürstchen auf Sauerkraut, ein Tröpfchen warmer Kochkäse, ein Schweineschnitzel mit Preiselbeeren und sagenhaft würzig-schlotzigen Bratkartoffeln und der Star vom Kaufmanns: ein Handkäseknödel mit Grüner Soße. Der Knödel war der Hit, da muss man erst mal drauf kommen, in einem zarten Kartoffelknödel ein Stück Handkäse verlaufen zu lassen, einfach himmlisch! Und dann diese cremige Soße! Trotzdem gibt’s auch hier e bissi was zu meckern: Das Schnitzelsche war überflüssig. Erstens mag ich kein Schweineschnitzel (langweilig) und zweitens ist das nix typisch hessisches. Da hätte ich mir was anderes gewünscht. Egal, der Teller war klasse und wir proppenvoll. Zwei von uns hatten übrigens das Knofi-Rumpsteak. Und sie waren ebenso begeistert: würzig und superzart auf den Punkt gebraten.

IMG_2501Alles gut und Schluss? Natürlich noch nicht. Nach einem knackigen Apfelbrand wollten wir noch ein Dessert probieren. Was nicht auf der Karte stand, uns aber empfohlen wurde, war ein Eis von grüner Soße! Wahnsinn, ein Eis aus meiner und Goethes Leib- und Magensoße! Das mussten wir probieren. Das war ja so was von lecker! Wie ein Tusch zum Schluss eines tollen Abends. Dass man uns beim Hinausgehen noch eine persönliche Führung durch den Biergarten und die Wurstlounge spendiert hat, passte ins Gesamtbild. Unnötig zu erwähnen, dass wir auch mit Handschlag verabschiedet wurden. So geht Gastlichkeit! Da kann sich so mancher jammernder Gastronom eine Scheibe abschneiden.

Mein Beitrag zu Restaurant Kaufmann’s – Ich bin kritzlibaer – auf Qype